Infos

09.11.2018

Wer ist Spirou?

Anlässlich der Kinopremiere von DER KLEINE SPIROU am Samstag den 10. November im Hamburger Abaton Kino haben wir uns den Abenteurer im Pagenkostüm mal etwas genauer angesehen. Der Experte frankobelgischer Comics Volker Hamann erklärt ausführlich mehr.

Seit 80 Jahren erscheinen nun schon die Abenteuer von „Spirou und Fantasio“ im belgischen „Spirou“-Magazin und gehören damit zu den langlebigsten und populärsten Comic-Serien weltweit. Die Erlebnisse um den abenteuerlustigen Hotelpagen hatten am 21. April 1938 Premiere und erscheinen damit sogar zwei Monate länger als „Superman“! 

Im Laufe ihrer langen und wechselhaften Karriere wurde die Serie „Spirou und Fantasio“ von zahlreichen namhaften Zeichnern und Autoren gestaltet und erlebte Übersetzungen und Publikationen in Frankreich, den Niederlanden, Spanien, Portugal, Finnland, Dänemark, Schweden, Jugoslawien, Großbritannien und den USA. Sogar in Japan und Vietnam fanden die Geschichten um Spirou, Fantasio, den Grafen von Rummelsdorf und das Marsupilami, dem wunderbaren Fabeltier aus Palumbien, ihre Leser.

In Deutschland ist der Carlsen Verlag seit 1981 verlegerische Heimat von „Spirou und Fantasio“, wo die Geschichten aus dem Rummelsdorfer Universum seitdem in mehr als 70 Albumausgaben veröffentlicht wurden. 2003 erfolgte ein umfangreicher Neustart der Serie mit neuer Kolorierung, verbesserter Ausstattung und redaktionellen Zusatzseiten sowie die Veröffentlichung der Sonderausgaben  unter dem Titel „Spirou Spezial“. Seit 2014 wird „Spirou und Fantasio“ zusätzlich in einer bibliophilen Gesamtausgabe publiziert, von der bislang die ersten neun Bände vorliegen.

Der 80. Geburtstag von Spirou ist auch für seinen deutschen Verlag ein besonderes Fest, und so präsentiert Carlsen in diesem Jahr eine ganze Reihe spannender und lang erwarteter Publikationen. 
Den Anfang macht der Spezial-Band „Sein Name war Ptirou“ von Szenarist Yves Sente und Zeichner Laurent Verron, der in besonderer Weise an die Anfänge der Comicfigur erinnert, bevor im Sommer eine Weltpremiere gefeiert werden kann: Mit der vom Berliner Zeichner Flix („Schöne Töchter“, „Glückskind“) gestalteten Episode „Spirou in Berlin“ übernimmt zum ersten Mal ein deutscher Künstler die Regie im Rummelsdorfer Universum. Mittlerweile auch erschienen ist die Fortsetzung von Émile Bravos Bestsellers „Porträt eines Helden als junger Tor“ an, die nicht weniger als vier Bände umfassen wird, sowie der schicke Jubiläumsschuber mit allen Franquin-Bänden der Serie


Als der belgische Verleger Jean Dupuis im April 1938 die erste Ausgabe des Comicmagazins „Spirou“ an die Kioske auslieferte, bestand wahrlich kein Mangel an Kinderzeitschriften im französischsprachigen Raum. Vor allem aber kamen sie aus Frankreich, und Dupuis dachte sich, dass belgische Kinder auch belgische Comics lesen sollten. Paradoxerweise fand er gerade in dem Franzosen Robert Velter alias Rob-Vel einen jungen Zeichner, der dann die entscheidende Idee zur Geburt eines neuen Serienhelden hatte. Ebenfalls Einfluss auf das weitere Schicksal der Serie und des Magazins „Spirou“ hatte 1939 die Einstellung des Zeichners Joseph Gillain, der unter dem Pseudonym Jijé nicht nur maßgeblichen Anteil an der künstlerischen Arbeit hatte, sondern durch seine Kontakte zu anderen Zeichnern auch für eine wachsende Mannschaft der „Spirou“-Redaktion verantwortlich war. Unter seiner Leitung entwickelte sich das Magazin in den 1940er und 1950er Jahre zu einem der wichtigsten und einflussreichsten Jugendmagazine in Europa.

Mit Zeichnern wie Morris („Lucky Luke“), Peyo („Die Schlümpfe“) und nicht zuletzt André Franquin, der die Titelserie ab 1946 zeichnete, deckte „Spirou“ die Bedürfnisse der belgischen – und später auch europäischen – Jugend ab und erwies sich als stilbildend für die weitere Entwicklung westlicher Comics. Daran hatte nicht zuletzt das von Dupuis  nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs lancierte Albumprogramm mit dem Nachdruck der besten Geschichten des Magazins großen Anteil, mit dem es auch in den von Fernsehen und Videospielen geprägten 1970er bis 1990er Jahren gelang, durch Serien wie „Die blauen Boys“ von Cauvin und Lambil, „Theodor Pussel“ von Frank LeGall, „Jonas Valentin“ von Frank Pé sowie neuen Abenteuern des Titelhelden von Jean-Claude Fournier oder Tome & Janry das hohe Niveau guter Unterhaltungslektüre für Kinder und Jugendliche zu halten.

Frédéric Niffle, der das Magazin von 2008 – 2017 leitete, gelang ein erfolgreiches Nebeneinander von neuen und klassischen Stoffen. Er hat es nicht nur geschafft, den kreativen Allrounder Lewis Trondheim für „Spirou“ zu gewinnen, sondern auch die Titelserie in die kompetenten Hände von Zeichner Yoann Chivard und Autor Fabien Vehlmann zu legen, die eine behutsame Modernisierung des Klassikers vornehmen und dafür sorgen, dass sich „Spirou“ nach 80 Jahren noch hoher Beliebtheit erfreut.

Einen weiteren Schritt der Modernisierung ist das Magazin mit der Besetzung der neuen Chefredaktion gegangen: Pünktlich zum Jubiläumsjahr lenkt Florence Mixhel als erste Chefredakteurin „Spirou“. Eine Vielzahl der Serien, die im belgischen „Spirou“-Magazin innerhalb der letzten acht Jahrzehnte publiziert wurden, erlebten bei Carlsen Comics ihre deutsche Veröffentlichung. So erscheinen aus dem „Spirou“-Universum die Abenteuer von „Gaston“, dem „Marsupilami“ und „Der kleine Spirou“ nach wie vor mit großem Erfolg, sowie aus dem Umfeld des Magazins „Yoko Tsuno“ oder „Unschlagbar“.









Wer tiefer in die Materie eintauchen will kommt am besten zu uns in den Laden oder stöbert am Büchertisch der Kinopremiere. 

DER KLEINE SPIROU 

Regie: Nicolas Bary
Drehbuch: Laurent Turner, Nicolas Bary
nach Motiven des Comics von Tome und Janry
Kamera: Vincent Gallot
Musik: Rolfe Kent
Darsteller: Sacha Pinault, Juliette Aver, Pierre Richard, Natacha Régnier, François Damien, Gwendolyn Gourvenec, Philippe Katerine, Armelle
BE/FR 2017, 83 Min., dtF, frei ab 0/empf. ab 8
Preview mit dem Carlsen-Verlag 10.11. um 15:00 Uhr


Offizieller Kinotrailer / Der kleine Spirou / Kinostart 15.11.2018 from barnsteiner-film on Vimeo.